Arbeitsgelegenheit (AGH)

Seit über 20 Jahren arbeiten wir mit und für Menschen in prekären Lebenslagen. Dadurch können wir einerseits auf einen großen Erfahrungsschatz in diesem Bereich schauen, andererseits konnten wir uns in dieser Zeit zu einem wichtigen Bestandteil der aktiven Beschäftigungspolitik der Agenturen für Arbeit Ulm und Neu-Ulm sowie der Jobcenter Ulm und Neu-Ulm etablieren.

Definition

Arbeitsgelegenheiten (kurz AGH) sind im § 16d SGB II geregelt:

Satz 1: "Erwerbsfähige Leistungsberechtigte können zur Erhaltung oder Wiedererlangung ihrer Beschäftigungsfähigkeit, die für eine Eingliederung in Arbeit erforderlich ist, in Arbeitsgelegenheiten zugewiesen werden, wenn die darin verrichteten Arbeiten zusätzlich sind, im öffentlichen Interesse liegen und wettbewerbsneutral sind. [...]."

In einer AGH erhalten also langzeitarbeitslose Menschen eine Annäherung an/ Vorbereitung auf den ersten Arbeitsmarkt. Die AGH-Stelle muss auf die Förderung durch die Behörden angewiesen sein, der Allgemeinheit dienen und darf die Wirtschaft nicht beeinträchtigen. Für die Zeit, in der die langzeitarbeitslosen Menschen in der AGH tätig sind, bekommen sie eine Mehraufwandsentschädigung, die zuzüglich zum ALG II gezahlt wird. Die Dauer der AGH beträgt 6 Monate, kann jedoch unter bestimmten Voraussetzungen auf 12 Monate verlängert werden.

Den gesamten Gesetzestext können Sie hier einsehen.

Zielgruppen

Die Zielgruppen unseres Projektes sind arbeitsmarktferne SGB II-Beziehende mit multiplen Vermittlungshemmnissen. Dabei sind unsere Teilnehmenden insbesondere:

- Personen, die nach einem persönlichen Schicksalsschlag eine soziale und persönliche Stabilisierung benötigen

- Personen in prekären Lebenslagen mit psychosozialen und gesundheitlichen Einschränkungen

- Alleinerziehende

- ältere Leistungsberechtigte

- Personen ohne abgeschlossene Berufsausbildung

- Personen mit Migrationshintergrund

- AsylbewerberInnen

Unser Ansatz

Langzeitarbeitslosigkeit löst einen Prozess der Persönlichkeitsveränderung aus, der geprägt ist von emotionalen Belastungen, finanziellen Abhängigkeiten, Ausgrenzungen sowie familiären Spannungen. Die andauernden Misserfolge bei der Arbeitssuche und die Abhängigkeiten führen bei den Betroffenen zu Reaktionen, in deren Folge sich das neuronale System und somit das Verhalten der Erwerbslosen an die Situation der Arbeitslosigkeit anpasst. Das kann zu anhaltender Frustration, Resignation und langfristig auch zu gesundheitlichen Problemen und stressbedingten Krankheiten führen.

Unsere Rahmenbedingungen

Wir von der Neuen Arbeit versuchen, genau an diesen Punkten entgegenzuwirken. In unseren zwei Secondhandläden in Ulm und Neu-Ulm bieten wir nicht nur Secondhandware für jedermann zu kleinen Preisen an, sondern ermöglichen jährlich auch rund 100 von Langzeitarbeitslosigkeit betroffenen Menschen einen Arbeitsplatz bzw. eine Arbeitsgelegenheit. In der Regel dauert diese sechs Monate, in Ausnahmefällen bis zu zwölf Monaten.

Über die Tätigkeit in den Secondhand-Läden hinaus bieten unsere engagierten und qualifizierten MitarbeiterInnen bei Bedarf zusätzlich ein sozialpädagogisches Coaching, Beratungen bezüglich der Gesundheits- und Armutsprävention oder auch Unterstützung bei der Stellensuche an, sodass unser Projekt nicht selten in ein direktes Arbeitsverhältnis übergeht.

Wohin geht die Reise?

Ziel ist es, diesen Personen eine zweite Chance zu geben, eine Perspektive zu bieten, ihnen ihre Stärken und Fähigkeiten nahezubringen und sie dabei zu unterstützen, den (erneuten) Einstig in die Erwerbstätigkeit zu bewerkstelligen. Hier spielen Motivation und die Entwicklung konkreter persönlicher und beruflicher Perspektiven eine wichtige Rolle, um sie unabhängig von staatlichen Unterstützungsleistungen zu machen.

Dabei geht es insbesondere um die Vermittlung von Schlüsselqualifikationen und Basiskompetenzen wie Pünktlichkeit, Durchhaltevermögen, Teamfähigkeit und Kritikfähigkeit, die tagtäglich trainiert und verbessert werden. Diese, für uns banal erscheinenden Fähigkeiten, stellen für einige Teilnehmenden nach Jahren der Arbeitslosigkeit oftmals eine große Herausforderung dar, die erst schrittweise wieder erlernt werden muss.

Zudem werden fachübergreifende Fertigkeiten und praktische Kenntnisse erworben, wie etwa die Organisation des Arbeitsplatzes, Dienstanweisungen und betriebliche Aufträge verstehen und umsetzen sowie der Umgang mit unterschiedlichen Arbeitsmitteln. Speziell zum Bereich Einzelhandel erlernen unsere Teilnehmenden das richtige Auftreten gegenüber KundInnen mit Beratungsgesprächen, Annahme von Spenden oder Umgang mit Reklamationen und Beschwerden, dem Kassenbereich mit Abkassieren, Ausstellen von Rechnungen und Anfertigen von Tagesabrechnungen, sowie die Lagertätigkeiten mit Warenprüfung, Lagerorganisation und Lagerbuchhaltung und der jährlichen Inventur.